Zum Gedenken an Karlheinz („Carlos“) Wittig

(wm-pcp) „Leider muss ich euch mitteilen, dass mein Bruder seit heute Nacht (9.6.2022) seine philatelistischen Tätigkeiten in einer anderen Welt weiterführen wird.“ Das teilte Wittigs Schwester Barbara Freunden am Folgetag mit und die Nachricht löste bei jedem, der sie las, Betroffenheit aus. Auch wenn Karlheinz Wittig vor kurzem seinen 96. Geburtstag begangen hatte, kam sie unerwartet und berührte jeden, der Karlheinz ein wenig näher kannte.

Der 1926 in Berlin geborene spätere Wirtschaftsingenieur hat in der deutschen Philatelie Spuren hinterlassen wie kaum ein anderer. Sammler war er bereits seit der frühen Kindheit, aber schon bald entwickelte er sich zu einem philatelistischen Schwergewicht. Zuerst fokussiert auf das Sammelgebiet Berlin – in späteren Jahren war er in Lohmar für viele Jahrzehnte zu Hause –, dann wandte er sich Brasilien und der Stempelkunde zu. Am 2. November 1974 gründete er mit einigen Gleichgesinnten die Arbeitsgemeinschaft Brasilien, die er als Vorsitzender bis zum 30. Oktober 2004 leitete, bevor er dann den Leitungsstab an Walter Bernatek weiterreichte. 30 Jahre lang wurde die ArGe Brasilien dank seiner Aktivitäten ein internationales Aushängeschild der Brasilien-Philatelie, wie es dies noch nie vorher gab. Zahllose Rundbriefe und Forschungsberichte, die er während dieser 30 Jahre als Schriftleiter verantwortete, zeugen bis heute von seinem nie erlahmenden und unermüdlichen Interesse, nahezu jeden Winkel der Postgeschichte Brasilien auszuleuchten und zu dokumentieren.

Er knüpfte seit den 1970er-Jahren enge Verbindungen zu in Brasilien lebenden Sammlern wie Reinhold Koster, Wolfdietrich Wickert und so manch anderem, die längst von uns gegangen sind. Er belebte die Kontakte zwischen der ArGe und brasilianischen Vereinen in Rio de Janeiro, São Paulo und Porto Alegre, um nur einige zu nennen und er war „spiritus rector“, aber auch Innovator zahlreicher literarischer Werke, die ohne ihn vielleicht nie entstanden wären. Unvergessen die vierbändige gemeinsam mit mir bearbeitete „Einführung in die Brasilien-Philatelie“ (1980–1984), denen noch weitere Monografien, u.a. zu Erstflügen Brasiliens bis 1949 folgten. Die Stempelkunde ließ ihn zeitlebens nicht los und daraus entstanden besondere Arbeiten, z.B. „Rückwärts lesbare Stempelverzeichnisse“ (für Bayern, Preußen, Württemberg, Großbritannien, Brasilien).

Wittig war Juror (Rang 2) und auch in dieser Tätigkeit zeichnete er sich durch Qualitäten aus, die man nicht häufig findet: die stets präsente Hilfsbereitschaft und Unterstützung, der Rat, dem immer wieder die Tat folgte und die Zugewandtheit zum Menschen. Anfängern wie mir, der ab 1976 seine ersten Gehversuche in diese fremde philatelistische Welt der Brasilien-Philatelie wagte, wurde er Mentor und eine Art väterlicher Berater, Förderer und spiritus rector. Ohne ihn hätte mein ganzes Leben einen philatelistisch weit ärmeren Verlauf genommen.

Diese Bereitschaft, sich zu engagieren, brachte er auch in die organisierte Philatelie ein. Er gehörte dem BSV Posthorn Essen-Borbeck an, bei denen er von 1965–1968 Vereinsvorsitzender war, die Siegburger Briefmarkenfreunde erlebten ihn von 1973–1984 in der gleichen Funktion. Unter Ernst Zimmer war er sogar von 1980–1987 stellv. Landesverbandsvorsitzender des Philatelistenverbandes Mittelrhein. Nicht zu vergessen ist sein Wirken auch in anderen Studiengruppen wie der ArGe Schiffspost, der Poststempelgilde, der Spanisch Main Society u.a.

Wenngleich er 2004 auf eigenem Wunsch von seinen Ämtern abtrat, auch die Schriftleitung der Periodika der ArGe Brasilien in andere Hände legte, blieb er deshalb nicht untätig. Bis zuletzt hatte jeder das Gefühl, er ist und bleibt der unermüdliche Motor dieser Veröffentlichungen, denn in jeder Ausgabe war er nach wie vor mit zahlreichen Beiträgen aller Art vertreten. Bei allen BRASILIANA-Ausstellungen der letzten Jahrzehnte war er vor Ort, häufig auch als Aussteller beteiligt, er betreute Reisegruppen und lehrte sie, Land und Leute seines von ihm so geschätzten Brasilien kennenzulernen. Mit seiner – wie sie sich selbst nennt – „kleinen Schwester Barbara“ erkundeten sie gemeinsam Brasilien und Portugal und auch da stand nicht selten die Philatelie im Vordergrund.

Seine Reise durch diese Welt hat nun ein Ende gefunden, der Motor steht still. Er wird uns fehlen. Wir alle haben einen Freund verloren, den wir als Menschen sehr geschätzt, geachtet, respektiert und auch bewundert haben. Ohne ihn wird unsere philatelistische Welt ärmer sein. Unser Mitgefühl gilt seiner Schwester Barbara, die die ArGe Brasilien seit vielen Jahren im Vorstand begleitet. Möge ihm die Erde leicht sein – sagten unsere Vorfahren. Danke Karlheinz – für alles!

Für die ArGe Brasilien

Wolfgang Maassen                                   Walter Bernatek
stellv. Vorsitzender (1978–1985)          Vorsitzender (seit 2004)