Bayern 1850: Frühester bekannter Markenbrief ins europäische Ausland

Bayern1850_9kr(cw/wm – Fortsetzung) Los 20 400 der 38. Gärtner-Auktion vom 16.–20. Oktober 2017 beinhaltet nur vier Belege. Aber bereits der Ausrufpreis von 90 000 Euro verdeutlicht, dass es sich um ganz besondere handeln muss, die eine einzelne Würdigung verdient haben, zumal sie postgeschichtlich einmalig sind. Nachfolgend stellen wir den dritten Brief vor.

Bayern: 1850, 9 Kreuzer mattblaugrün der 1. Auflage, auf Faltbrief nach „Koppenhagen“, Dänemark adressiert. Entwertet mit halbkreisförmigen Aufgabestempel „KAISERSLAUTERN 25/7“ (1850). Nebengesetzt Einzeiler „CHARGE“ und roter Rahmenstempel „Recomandiert“ sowie mit Rötelstift zweimal „NB“ (nota bene) für die Kennzeichnung des eingeschriebenen Briefes. Dekorativ neben die Marke gesetzter handschriftlicher Vermerk „fr(anco) Bayr. Preuß. Grenze“. Handschriftliche große blaue „4“ mit Rötelstift durchstrichen und durch „6“ ersetzt. Rückseitig kleiner Einkreisstempel „HAMBURG 11 12 30/7“ vom Mecklenburg-Schweriner Buerau (Feuser 1353-3) und in schwarz Doppelkreisstempel „K.D.O.P.A. HAMBURG 30/7“ als Transitstempel abgeschlagen. Zwei verschiedene Tax-Bäume befinden sich neben den Stempeln.
Die Marke ist an allen Seiten breitrandig mit vier Zwischenlinien, in herrlich farbfrischer, typischer Nuance der allerersten Auflage und völlig tadelloser Erhaltung, klar gestempelt, in ursprünglichem Zustand auf dem sauberen Brief haftend, nicht repariert.

Die 9 Kreuzer-Marke entspricht der einfachen Taxe im Postverein über 20 Meilen bis zur Vereinsgrenze. Die weitere Beförderung nach Dänemark konnte zu diesem sehr frühen Zeitpunkt nicht frankiert werden, sondern musste bar bezahlt werden, ebenso die 6 Kreu­zer Chargégebühr. Laut Attest von Herrn Schmitt BPP dokumentiert der Vermerk „fr(anco) Bayr. Preuß. Grenze“ diesen Umstand. Hier ist aber auch eine andere Version möglich, bzw. sehr wahrscheinlich: 9 Kreuzer „fr Bayr. Preuß. Grenze“, Einschreibegebühr bar bezahlt. Da aber laut Vermerk nur frei bis Preußen(!), war über Bayern hinaus eben kein weiteres Franko bar bezahlt. Eigentlich hätte die Marke durch ganz Preußen durch gegolten, da Preußen ebenso wie Bayern seit 25 Tagen Mitglied im DÖPV war. Jedoch kannten sich auch die Preußen noch wenig mit Markenbriefen aus, hatten selbst noch keine Freimarken. Laut Vermerk sei nur bis zu ihrer Grenze frei, weshalb Preußen in blauer Tinte „4“ Silbergroschen notierte, welche dann in Hamburg mit Rötel in „6“ Schilling umgerechnet wurden. Nur so lassen sich die vorderseitigen Taxen erklären. In Dänemark wurde dann das rückseitig neben der Kartierungsnummer stehende Porto von 19/29 Riksbankschilling erhoben (auch der KDOPA-Stempel danebengesetzt). Lediglich der andere Taxbaum rückseitig mit 16/11/0 lässt sich nicht ganz schlüssig erklären, Vielleicht in rheinische Kreuzer gerechnet, wobei die Zusammensetzung unklar ist. Ansonsten scheinen die Gebühren geklärt. Sehr interessant ist die nach handschriftlichem Vermerk erfolgte Teilfrankierung(!) bis zur Grenze eines DÖPV-Mitgliedes. Dies lässt sich nur aus den Unsicherheiten in ersten frühen Tagen des DÖPV erklären. Bis dahin war Preußen für Bayern postalisches Ausland gewesen. Bei einem Brief ins „richtige“ Ausland, mit Transit durch Postvereinsgebiet, war der Postbeamte (Brief wurde am Schalter aufgeliefert wegen Einschreiben!) aber wohl überfordert. Er frankierte den Brief ins europäische Ausland mit 9 Kreuzer, beschränkte dies aber auf Bayern, anstatt auf das Postvereinsgebiet, was die Preußen so interpretierten, dass sie noch Porto erheben müssten und zeigten dies mit blauer “4“ auch an.

Diese interessante Form der Teilfrankierung bis zur Grenze des nächsten DÖPV-Mitgliedes ist schon sehr ungewöhnlich. Richtig spektakulär wird der Brief aber durch die Tatsache, dass es sich um den frühest bekannten Markenbrief der Altdeutschen Staaten ins europäische Ausland handelt!! Spätere Briefe tragen zumeist Nummernstempel (= Mühlradstempel, ab 1.8.1850 verwendet) zumindest in den ersten Jahren. Die 9 Kreuzer erschien zum 1. Juli, die Mühlradstempel bereits zum 1.8.1850. Sind daher 9-Kreuzer-Bayernbriefe aus Juli wegen der Entwertung mit Ortstempeln (= „Juli-Daten“) bereits sehr beliebt, ist dieser auch optisch sehr schöne Brief mit seltenster und allerfrühester (Teil-) Frankierung in seiner Bedeutung nicht zu überbieten.

Vorliegender Beleg stellt als frühester bekannter Markenbrief ins europäische Ausland ein Museumsstück nicht nur für Deutschland sondern jede mit Kommunikation befasste Einrichtung dar und ist selbst­verständlich gleichzeitig spektakuläres Eröffnungsstück oder Schaustück für jede wirklich große Sammlung der Altdeutschen Staaten, der frühen europäischen Postgeschichte oder der internationalen Philatelie überhaupt!