„MIRACLE DE LA COULEUR” – Die Briefmarken des Großherzogtums Oldenburg

(pcp-wm) „Das Wunder der Farben“ – Derart blumig ein Auktionsangebot der Sonderklasse zu beschreiben, kann wohl nur einem Feingeist einfallen, der ähnlich wie der frühere Besitzer der Oldenburg-Sammlung zu denen zählt, die das Schöne, die Ästhetik der klassischen Philatelie in exquisiter Erhaltung schätzen. Den Titel für diese Sammlung wählte Roland Meiners, Inhaber des Hauses Dr. Wilhelm Derichs, und er präsentiert in einem hervorragend gestalteten Hardcover-Katalog für seine 160. Auktion am 13. März 2021 in Köln die 103 Lose dieser Kollektion. Meiners schreibt dazu in seinem Vorwort u.a.:

„Die Briefmarken des Großherzogtums Oldenburg gelten seit jeher als die Königsdisziplin unter den Altdeutschen Sammelgebieten, weil sie immer schon zu den teuersten Altdeutschen Ausgaben zählten, wodurch sie schon früh zu den bevorzugten Sammelgebieten gehobener und wohlhabender Kreise zählten. Das hat seinen Grund u. a. in der Seltenheit der Oldenburger Marken, aber es gibt viele andere Gründe, wobei ganz obenan die Schönheit der Oldenburger Marken zu nennen ist.

Diese Schönheit sieht der Connaisseur Klassischer Marken auch in der Farbgewaltigkeit der Oldenburger Marken. Die ersten beiden Markenausgaben (Michelnummern 1 bis 8) wurden auf farbigem Papier gedruckt. Die Farbe steht im Mittelpunkt des Betrachters. Und diese beiden Markenausgaben wurden im Steindruck hergestellt — ein auch für Klassische Marken eher seltenes Druckverfahren. In der Altdeutschland-Philatelie kennt man die Kombination des Steindruckes zusammen mit farbigem Markenpapier sonst nur noch bei vier der fünf Marken Bergedorfs (Michelnummern 1, 3 bis 5) und bei acht Marken von Bremen (Michelnummern 1 bis 3, 6, 7,11 bis 13). Ich persönlich bin der Meinung, daß auf farbigem Papier gedruckte Klassische Briefmarken besondere Kunstwerke sind. Und die Kombination des farbigen Markenpapieres mit dem Steindruck ist dabei für mich die Krone der frühen Markenherstellung. Für mich waren die Oldenburger Marken immer Wunder der Farben und so habe ich für diese Sammlung den Namen „MIRACLE DE LA COULEUR“ gewählt. …“

Wer die Lose durchschaut, wird sich der Einschätzung des Auktionators nicht verschließen. Ein Stück schöner als das andere. Einzelne Marken mit teils riesigen Rändern, stets ansprechend entwertet, in Kombinationen und Einheiten, auf Briefstücken und Briefen. Der Rezensent hat es sich verkniffen, wie oft in der Beschreibung das Wort „Luxus“ auftaucht, es war zu häufig, aber stets berechtigt. Natürlich hat das seinen Preis, der häufig vier- oder gar fünfstellig ist. Aber das wirklich Schöne und Seltene war noch nie billig, zumal nicht in dieser Kombination.
Meiners Ausführungen bei den Beschreibung einzelner Objekte sind im Einzelfall philateliegeschichtlich hoch interessant. So erzählt er bei der Vorstellung von Los Nr. 805 (EF der MiNr. 2III, 1/30 Thaler schwarz auf blau, u.a. mit dem sehr seltenen Postablage-Stempel von „Kleinensiel“ einiges über die Provenienz, denn der Brief war ursprünglich in der Sammlung von Helmut Franken, Mönchengladbach (Oldenburg-Auktion Christian Zieme, 1990, Los 1019); Sammlung Heinrich Sanders, Göttingen (362. Köhler-Auktion, 2016, Los 7603).

„Helmut Franken kam aus dem II. Weltkrieg mit einem verlorenen Bein in seine Heimat nach Mönchengladbach-Odenkirchen zurück. Nach dem Krieg baute er eine führende Versicherungsagentur auf. Der geschäftliche Erfolg gab ihm die finanzielle Möglichkeit, große Briefmarken-Sammlungen verschiedener Sammelgebiete aufzubauen, die fast alle über unser Haus versteigert wurden. Auch bei der Realisierung seiner Oldenburg-Sammlungen hatte ich meine Finger im Spiel. Das ist aber eine andere Geschichte. Als ich im April 1989 mit 21 Jahren meine erste Auktion gemacht hatte, rief Helmut Franken mich an, um mich in sein Haus nach Mönchengladbach-Odenkirchen einzuladen. In meine zweite Auktion lieferte er seine Preußen-Sammlung ein, aus der ich die besseren Stücke in eine Abendauktion separierte. Erivan Haub war persönlich im Saal und ersteigerte einige Preußen-Lose aus der Sammlung Franken. Bis zu seinem Tod hatte ich einen herzlichen Kontakt zu Helmut Franken und seine Erben übergaben mir nach und nach noch einige Sammlungen, die er zu Lebzeiten noch nicht verkauft hatte. Helmut Franken machte jahrzehntelang Urlaub auf den ostfriesischen Inseln, wodurch er einen geographischen Bezug zur Oldenburg-Philatelie bekam. Seine Oldenburg-Stempelsammlung, die einmalig war in der Geschichte der Oldenburg-Philatelie, wurde en bloc verkauft und ging über einen Umweg in die Hände von Christian Zieme. Heute, im Alter von 53 Jahren, bin ich Helmut Franken posthum dankbar für das große Vertrauen, das er als lebenserfahrener alter Mann in mich setzte. Ich war ja gerade einmal Anfang 20, als ich anfing, seine Sammlungen zu verkaufen, zu vermitteln oder selbst zu versteigern. Damals war mir das so nicht bewußt, wiewohl man in der Jugend vieles entgegennimmt, ohne dies entsprechend zu würdigen. Aber heute – mit meiner unternehmerischen Erfahrung von mehr als drei Jahrzehnten – weiß ich die Unterstützung von Helmut Franken richtig einzuordnen, die er mir in meinen ersten Jahren als Unternehmer gab.“

So schließen sich Lebens- und Erlebniskreise. Die Farbwunder Oldenburgs mögen vielleicht Meiners Einschätzung bestätigen: „Das fortwährende Betrachten eines solchen Stückes wird Sie immer wieder in die Welt eines Sammlers entführen und dann kommen Sie zu der Erkenntnis ‚Sammler sind glücklichere Menschen‘ und ‚Sammler leben länger‘.“