Erinnerungen an eine unvergessene Redakteurin: Gertrud Raum († 27.4.2019)

(pcp-wm) Erst unlängst wurde bekannt, dass Gertrud Raum, geb. Rothe (* 23.9.1921), die frühere Schriftleiterin der Fachzeitschrift „sammlerdienst“, im Alter von 97 Jahren in Coburg, dem Ort, wo sie fast ein Leben lang lebte, verstorben ist. Noch vor zwei Jahren besuchte sie die Internationale Briefmarken-Börse in Sindelfingen und der Autor, der bei ihr die ersten Schritte in den professionellen Journalismus unternahm, hatte Gelegenheit, sie wiederzusehen und über die „guten alten Zeiten“ zu plaudern.

Die ältere Philatelisten-Generation wird sich noch erinnern: Gertrud Raum war Herz und Seele des früheren „sammlerdienstes“, der 14täglichen Fachzeitschrift, die Anfang der 1980er-Jahre den Verlag und dann auch den Namen wechselte. 14täglich besorgte sie in den damaligen Hochzeiten der Philatelie rund 100 und mehr Seiten für Satz und Druck und für viele Jahre war der „sammlerdienst“ das neben der DBZ führende Fachblatt in Deutschland. Heute heißt die Zeitschrift „Deutsche Briefmarken-Revue“. Für Schlagzeilen sorgte die ehemalige Redakteurin allerdings auch in ihren späten Lebensjahren, nämlich mit ihrem Hobby: Reisen. Dies führte sie – Antarktis ausgenommen – durch zahllose Länder aller Kontinente.

Dabei schaute sie auf ein bewegtes Leben zurück. Am 23. September 1911 wurde sie als zweites von vier Kindern unter dem Familiennamen Rothe geboren, besuchte Volksschule und Gymnasium. 1938/39 war sie dienstverpflichtet im Reichsarbeitsdienst, machte dann bis 1941 eine Lehre bei der Sparkasse in Coburg, bei der sie nach erfolgreichem Abschluss bis 1945 auf Bankkauffrau tätig war. 1946 heiratete sie Hans-Karl Raum und 1947 kam ihr einziger Sohn Hans-Joachim Raum zur Welt. Da ihr Mann bereits 1948 starb, meisterte sie fortan ihr Leben als alleinerziehende Mutter, trat 1948 in den Verlag Karl Ihl & Co. ein und wurde nach dem Tod des Inhabers Carl Duda Leiterin der Redaktion des „Sammlerdienstes“. Dies blieb sie bis 1982, als sie in den verdienten Ruhestand ging. Auch danach lebte sie weiterhin in Coburg, hielt sich fit in einem Schwimmverein, blieb aber auch dem Verein der Briefmarkenfreunde in Rödental verbunden. Der Bund Deutscher Philatelisten erkannte ihre Verdienste 1980 mit der Silbernadel an, ebenso der Landesverband der Philatelisten in Südwest.

Unvergessen ist ihre ruhige, liebevolle Art und der hilfreiche Umgang, den sie mit zahllosen Autoren und Nachwuchsjournalisten pflegte. Viele Inserenten, denen die damalige eher nervige DBZ-Chefin Eva Kilian mit ihren ständigen Nörgeleien auf den Geist ging, dankten ihr die Umsicht bei der Betreuung ihrer Aufträge. Sie wahrte auch die Contenance, als sie Anfang der 1980er-Jahre beim Verkauf der Zeitschrift „sammlerdienst“ ansehen musste, dass eine junge neue Generation um Dieter Stein, Hans Paikert und später Jan Billion das Ruder übernahm. Für einen Wechsel fühlte sie sich zu alt, sie ließ den Dingen ihren Lauf. Ihr hat die deutsche Philatelie viel zu verdanken und ihr liebenswürdiges Wesen und ihre fachliche Kompetenz werden in Erinnerung bleiben. „Weltoffen, lebensfroh und optimistisch“, heißt es in einer Kondolenzanzeige. „Jetzt hat sie ihre letzte Reise angetreten.“

Wolfgang Maassen
Präsident der AIJP

Foto:  Gertrud Raum (2010). (Vorlage: Wilhelm van Loo)