NEU ERSCHIENEN: Wolfgang STRAUB, Französische Zone. Ganzsachen.

(Rainer von Scharpen/AIJP/pcp) Die Beschäftigung mit den Ganzsachen der Französischen Zone (FZ) erfordert viel Zeit, Geduld und Hingabe. Auf den ersten Blick erscheinen die Karten wenig attraktiv, gar monoton und obendrein anscheinend reichlich kompliziert. Aber wenn man erst einmal ein wenig in das Sachgebiet eingestiegen ist, fasziniert die erstaunliche Vielfalt der Ganzsachen ebenso wie ihre interessante Entstehungsgeschichte.

Wolfgang Straub – er leitete annähernd drei Jahrzehnte die Bundesarbeitsgemeinschaft Französische Zone – gehört unbestritten zu den profiliertesten Kennern der Materie. Ihm kam die Corona-Pandemie gerade recht, sich endlich für eine Monographie die erforderliche Zeit zu nehmen. „Ursprünglich hatte ich geplant, lediglich das entsprechende Kapitel im Handbuch zu überarbeiten, aber letzten Endes hätten der umfangreiche Text und die vielen Abbildungen mit unzähligen Vergrößerungen den Rahmen ganz einfach gesprengt“, gesteht er im Gespräch.

Zum besseren Verständnis: In der unmittelbaren Nachkriegszeit war der Nachrichtenaustauch ein lebenswichtiges Bedürfnis der Menschen, und bei den wenigen privaten Telefonen das einfachste Mittel hierfür die Postkarte. Papier war Mangelware, und so wurde aufgebraucht, was vorhanden war: reichliche Bestände an GA-Postkarten aus dem Dritten Reich mit Hitler- bzw. Hindenburg-Wertstempeln. Für die Weiterverwendung mussten jedoch das alte ungültige Wertzeichen und ggf. die politischen Propagandasprüche überdeckt werden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Franzosen, anders als die anderen Siegermächte, den Postbetrieb weitestgehend den fünf Oberpostdirektionen – Freiburg, Tübingen, Neustadt (Haardt), Trier und Koblenz – überließen. Diese nutzten für das „Recyceln“ der Ganzsachen jeweils eigene Muster des neuen Wertstempel-Zudrucks und der Slogan-Maskierung. Bei 32 Urkarten und fünf eigenständig arbeitenden Postdirektionen führte das zu einer kaum überschaubaren Flut unterschiedlicher Karten.

Um keine Verwirrung zu stiften, behält Straub für sein Werk die Gliederung des MICHEL-Ganzsachenkatalogs bei, obwohl jüngste Erkenntnisse aufgrund der Chronologie hier und da eine Umstrukturierung nahegelegt hätten. Neu von ihm eingeführt werden hingegen Unternummern, die sich aus neu entdeckten Urkarten sowie zahlreichen Varianten in Papier, Typografie und Überdruckung des Wertstempels und/oder Werbespruchs ergeben. Er analysiert alle 14 Aufdruck-Grundtypen mit Untertypen und stellt sie detailliert dar. Bei den Aufbrauchsganzsachen für Württemberg-Hohenzollern kann er auf Studien von Ernst Müller (1978) zurückgreifen, und für die Muster mit Barockrähmchen hat Ulrich Horalek hilfreiche Vorarbeiten geleistet. Besondere Beachtung schenkt der Autor der Herstellung der verschiedenen Ausgaben, deren Auflagezahlen er hochrechnet, wie auch den zahlreichen „Fehldrucken“: sie entstanden zumeist aus Fehlern bei der in großer Eile erfolgten Vorsortierung der Urkarten.

Von Grund auf neu bearbeitet präsentiert sich das Kapitel Behelfs-Ganzsachen. Speziell bei denen der OPD Koblenz kommt Straub zu überraschenden Ergebnissen. Überraschungen ebenfalls bei den Notganzsachen, wo er mit Verfügungen der Postdirektionen aufwartet. Das führt vor allem für die OPD Trier zu grundlegend neuen Erkenntnissen. Jeder Abschnitt ist am Ende tabellarisch zusammengefasst. Bei den endgültigen Länder-GA-Ausgaben ergänzt Straub ansprechende Verwendungsbeispiele durch Ausführungen zur Entstehungsgeschichte, Angaben zu Auflagezahlen und Verteilung sowie Rekonstruktion der Druckbögen. Eigene Kapitel betrachten die vereinzelt in der FZ verwendeten Luftpost-Faltbriefe, die ebenfalls dort verkaufte Sonderausgabe zum 1. Deutschen Bundestag, gelegentliche Verwendungen der Bauten-GA sowie GA-Ausschnitte.

Ob denn der MICHEL-Ganzsachen-Katalog für das Sammelgebiet nicht ausreicht, mag sich mancher Leser fragen. Für die Grundkenntnisse ohne Zweifel, aber wer mehr wissen und die Ganzsachen in ihrem komplexen post- und zeitgeschichtlichen Zusammenhang verstehen will, wird an dieser epochalen Monographie nicht vorbeikommen. Unglaublich die Fülle der Belege und Tiefe der Erläuterungen – ein großartiges Werk!

Kurzinfo: Hrsg.: Bundesarbeitsgemeinschaft Französische Zone e.V. im BDPh e.V. Format DIN A-4, 420 Seiten, Farbabbildungen, solider fester Einband mit stabiler Fadenbindung. Schöneck 2022. ISBN 978-3-00-073292-8. Preis: 58 € + Versandkosten. Erhältlich bei: ArGe Französische Zone z. Hd. Adrian Krieg, Ulmenstr. 9a, 67259 Beindersheim. E-Mail: kriegadrian@googlemail.com