Empfänger unbekannt – Das Schicksal der Familie von Anne Frank im Spiegelbild eines einfachen Briefes

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(nb/Amstelveen) Es ist eines der bekanntesten Einzelschicksale des Zweiten Weltkriegs und eine auch heute noch zutiefst bewegende Geschichte, die in den Tagebüchern der jungen Anne Frank dokumentiert ist. Stellvertretend für das Schicksal zahlloser Juden in Deutschland und Europa in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges war und ist die Geschichte der Familie Frank für nachfolgende Generationen von größter Bedeutung. Die Intensität der Beschreibungen von Anne Frank in ihren Tagebucheinträgen, die Einblicke in das (Gefühls-) Leben ihrer Protagonistin und deren Umfeld sind Zeitzeugnisse, die bis heute – von der Schule bis zur Universität – Gegenstand von Lehre und Forschung sind.

Das Schicksal der Familie Frank spiegelt sich in einem kürzlich entdeckten (noch ungeöffneten!) Brief an das Familienoberhaupt Otto Heinrich Frank, der im September 2018 im Rahmen der Versteigerung des niederländischen Auktionshauses Corinphila Veilingen angeboten wird. Der auf den ersten Blick vergleichsweise unscheinbare Briefumschlag des Versicherungsbüros „Gresham Engelsche Maatschappij van levensverzekering lokaal Amsterdam“, konnte nicht zugestellt werden, wie die handschriftliche Notiz „onbekend“ (unbekannt) kennzeichnet. Ein Stempel „TERUG AFZENDER“, der Retour-Ankunftsstempel vom 10. September 1942 sowie ein rückseitiger Stempel „woont niet op …/ nader adres in de wijk onbekend“ mit Datum vom 11. September 1942, belegen dies zusätzlich.

Es war kein Zufall, dass die Familie Frank nicht mehr an ihrem früheren Wohnort anzutreffen war und der Brief an der Adresse „Merwedeplein 37“, seit 1934 Wohnsitz der Familie Frank, nicht zugestellt werden konnte. Otto Frank hatte bereits in den Monaten zuvor ein Versteck im Hinterhaus seiner Firma vorbereitet. Als die älteste Tochter Margot am 5. Juli 1942 einen Aufruf der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam erhielt, der ihre Deportation in ein Arbeitslager anordnete, tauchte die Familie am folgenden Tag dort unter und lebte fortan für mehr als zwei Jahre im Verborgenen. In dieser Zeit konnten die Bewohner weder nach draußen noch durften sie irgendwelche Aufmerksamkeit erregen, wie das Tagebuch von Anne Frank eindrucksvoll schildert. Ein schicksalhafter Verrat beendete das Leben im Untergrund im August 1944 und führte zur Verhaftung der Familie Frank sowie letztlich zum Tod von Anne, ihrer Schwester Margot und der Mutter Edith. Nur der Vater, Otto Frank, überlebte und wurde im Januar 1945 im KZ Auschwitz befreit.

Der vorliegende Brief ist ein Zeuge des traurigen Schicksals der Familie Frank. Warum er bis heute nicht geöffnet wurde, ist nicht geklärt. Der Brief befand sich im Nachlass des Sammlers Stefan Drukker, dessen Kollektion „Postgeschichte Zweiter Weltkrieg“ (Teil II) im Rahmen der Herbstauktion von Corinphila Veilingen angeboten wird. Weit über das Übliche hinausgehend beeindruckt die Zusammenstellung seltener Belege als umfassende zeitgeschichtliche Dokumentation der schwierigen Jahre des Zweiten Weltkriegs. Historisch betrachtet ist der nicht zugestellte Brief an Otto Frank von herausragender Bedeutung, ein Beleg der schwierigsten Zeit der Familie Frank, dem Leben im Untergrund.

Weitere Informationen bei: Corinphila Veilingen BV, Mortelmolen 3, NL-1185 XV Amstelveen, Tel. +31 (0)20 624 97 40, E-Mail: info@corinphila.nl, Internet: www.corinphila.nl