Die erste Farbtafel für Briefmarkensammler

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(wm) Farbenführer sind Briefmarkensammlern vertraut, zumal die aus dem Schwaneberger Verlag, der diese seit ca. 1922 in mehrjährigen Abständen immer wieder neu erscheinen lässt. Der Herausgeber der MICHEL-Kataloge war allerdings bei weitem nicht der erste Verlag, der in Deutschland, noch weniger in der Welt erste Farbenführer resp. Farbtafeln oder Farbkarten erscheinen ließ. Das Verdienst gebührt eher den Gebr. Senf in Leipzig, die nach Mitte der 1880er-Jahre einzelne Farbtafeln als Beilage ihrer Zeitschrift „Das Illustrirte Briefmarken-Journal“ beifügten. In deren Verlag erschien um die Mitte der 1890er auch eine 4-Seiten-Schrift von A. Gerdt mit dem Titel „Herrn Schwefelmeier’s zeitgemäße Betrachtungen über die Farbebezeichnungen in der philatelistischen Literatur“. Einen „A. Gerdt“ suchte man unter den namhaften und bekannten Philatelisten vergebens, Kenner wussten aber wohl, um wen es sich handelte: Andreas Gerhauser, der seit Januar 1886 Angestellter, später Prokurist der Firma Gebr. Senf und seit 1892 Herausgeber der ersten Senf-Kataloge für das Briefmarkenhaus war.

Aber auch die Senf’s waren bei weitem nicht die ersten. Das Verdienst gebührt eher der National Philatelic Society in New York, die bereits 1884 (!) einen sehr umfangreichen Farbenführer veröffentlicht hatte, in dem 150 Farben jeweils mit sechs Schattierungen von hell bis dunkel mit ihren Bezeichnungen aufgeführt wurden. Im Vorwort betonte der Herausgeber dieser „Color Chart“ (diese waren identisch mit dem „Standard Colour Chart“ der Fima J. W. Scott, die diesen übernahm, auch wohl weitgehend mit dem 1899 von Stanley Gibbons in London verlegten „Colour Dictionary“ von B. W. Warhurst): „Unter Philatelisten und Katalogverfassern bestand und besteht noch immer Uneinigkeit in der Farbenbeschreibung der Briefmarken; z.B. finden wir nach Durchsicht von 10 Katalogen, dass die Farbe der 2 ½ d. englischen Briefmarken von 1874 mit sieben verschiedenen Namen getauft ist, obgleich die einzelnen Exemplare so wenig variieren, wie es bei Farben überhaupt möglich ist.“ – Nun, dieses Grundproblem vermochte auch der Versuch der National Philatelic Society nicht zu lösen. Bis heute haben sich die namhaften internationalen Herausgeber von Katalogen – dazu zählen neben Scott, Yvert und Stanley Gibbons auch MICHEL – nicht auf eine einheitliche Nomenklatur einigen können. Und selbst in Deutschland findet man immer noch die unterschiedlichsten Bezeichnungen für ein und dieselbe Farbe. Nach mehr als 130 Jahren mag dies zeigen, wie schwer es ist, Standards durchzusetzen.

Die erwähnte „Color Charts“ von 1884 sind heute eine bibliophile Seltenheit und Rarität ersten Ranges. Während der für den 21.–25. März 2017 in Wiesbaden stattfindenden Heinrich Köhler-Auktion wird ein solches Stück erstmals seit Jahrzehnten wieder angeboten.

Fotos von Wolfgang Maassen