Freispruch für den Kunsthandel

(Dr. Christina Berking/(Hamburg) Nach drei Jahren Forschung und 1,2 Mio. Euro Kosten liegen nun die Ergebnisse der ILLICID-Studie vor. Sie war angetreten, um den illegalen Handel mit Kulturgut in Deutschland zu erforschen. Gefunden hat sie nichts. Die Abschlussberichte enthalten keine Hinweise auf Raubgrabungen, Terrorfinanzierung oder Geldwäsche.
Man muss schon sehr suchen, um die Abschlussberichte des ILLICID Projekts auf der Webseite der Technischen Informationsbibliothek Hannover zu finden.1 Sie stellen die Ergebnisse der drei Teilvorhaben dar, aus denen ILLICID bestand. Im Laufe des Jahres soll basierend auf diesen dünnen Ergebnissen ein Praxisleitfaden veröffentlicht werden, der Möglichkeiten zur Bekämpfung des illegalen Kulturguthandels darstellen soll.

Bereits in ihrer Projektbeschreibung aus dem Jahr 2015 nahm die ILLICID-Studie ihr angestrebtes Forschungsergebnis vorweg als sie schrieb, Gewinne aus illegalem Handel mit Kulturgütern seien ein wichtiges Standbein der organisierten Kriminalität. Es bestünden Verbindungen zum Rauschgift- und Waffenhandel, zur Geldwäsche sowie zur Terrorismusfinanzierung. Drei Jahre später ist davon nicht mehr die Rede. Raubgrabungen bzw. Plünderungen und Terrorfinanzierung sind in den Berichten noch nicht einmal erwähnt. Zur Geldwäsche heißt es an einer Stelle, sie sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht auszuschließen, jedoch auch nicht zwangsläufig anzunehmen.

Die Studie konzentriert sich auf antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum und damit auf den Bereich, der wegen Raubgrabungen und Plünderungen archäologischer Stätten den Anstoß zu den neuen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen für Kulturgut gegeben hat. Lässt sich hier ein illegaler Markt relevanten Ausmaßes nicht nachweisen, gilt das für die übrigen Kulturgüter, wie Gemälde, Antiquitäten, Bücher etc. die von Kulturgutschutzgesetz und EU-Einfuhrverordnung ebenfalls erfasst werden, erst recht. Die starke Regulierung des Handels hat damit ihre Grundlage verloren und erweist sich rückblickend als unberechtigt.

Ausgangspunkt der Gesetzgebung war eine Schätzung der UNESCO, wonach der illegale Handel jährlich weltweit angeblich 6 Mrd. US Dollar betragen sollte. Die Handelsverbände schätzen dagegen den jährlichen Umsatz aller seriösen europäischen und US-amerikanischen Antikenhändler zusammen lediglich auf 150 bis 200 Mio. US Dollar. Die ILLICID-Studie kommt nun für Deutschland auf 846.837 Euro pro Jahr (1,69 Mio. Euro in zwei Jahren) und bestätigt damit, dass die Aussage vom Milliardengeschäft vollkommen verfehlt ist.
In den zwei Jahren Untersuchungszeitraum konnte die Studie 6.133 Objekte aus den untersuchten Gebieten identifizieren. Da die Studie sich nicht auf die gefährdeten Gebiete beschränkt, sondern beispielsweise auch Griechenland und Ägypten mit einbezieht, stammen lediglich 39,9 % der Objekte potentiell aus Syrien oder Irak. Mehr als die Hälfte der Objekte wurde in Konvoluten angeboten – eine Praxis, die für äußerst niedrigpreisige Objekte gewählt wird. Als Einzelstücke präsentiert wurden laut Bericht im Wesentlichen griechisch-römische und ägyptische Kulturgüter. Rechnet man die hochwertigen griechischen Vasen, römischen Gläser und ägyptischen Skulpturen heraus, bleibt vom Gesamtumsatz wenig übrig. Aus den gefährdeten Gebieten scheint also im Wesentlichen niedrigpreisige Massenware zu stammen.

Die Bemühungen der Studie um Provenienzforschung zu den Objekten bestätigen die konstanten Mahnrufe aus dem Handel, dass sich die Anforderungen des Kulturgutschutzgesetzes an die Herkunftsnachweise in der Praxis nicht erfüllen lassen. Lediglich bei 2,1 % der Objekte ließ sich die Provenienz vor den gesetzlichen Stichtagen des Kulturgutschutzgesetzes verifizieren. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die Objekte bereits seit Jahrzehnten in Europa befinden und nicht aktuell aus den Gebieten ausgeführt wurden. Sie können also gar nicht über aktuelle Ausfuhrgenehmigungen verfügen. Ihre Provenienz erforscht die Studie vielmehr mithilfe alter Auktionskataloge, Lager- und Leihlisten sowie Sammlungspublikationen. Dieser Rückgriff auf vom Handel veröffentlichte Informationen zeigt, dass Auktionshäuser und Antikenhändler maßgeblich zur Provenienzforschung beitragen und gerade nicht das Dunkelfeld sind, nach dem hier gesucht wird.

Konkrete Hinweise auf Akteure, Netzwerke und Handlungsroutinen sowie Gewinn- und Geldwäschepotential, die die Pilotstudie aufdecken wollte, sucht man in den Berichten vergebens. Dazu hat man nichts gefunden. Ein Freispruch für den Handel!

Kontakt:
Dr. Christina Berking
BUSE HEBERER FROMM Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Harvestehuder Weg 23, 20149 Hamburg
Tel. 040-41999-0, E-mail: berking@buse.de
1 Alle drei Berichte abrufbar auf tib.eu unter dem Stichwort ILLICID:
Verbundname: Illegaler Handel mit Kulturgut in Deutschland. Verfahren zur Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage zur Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter, Akronym: ILLICID; Teilvorhaben (TV3): Antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum: Identifizierung, Klassifizierung und Dokumentation von in Deutschland gehandelten Objekten: Schlussbericht zu Nr. 3.2, BNBest-BMBF 98.
Abschlussbericht zum Projekt ILLICID; Teilvorhaben „IT Werkzeuge“.
Schlussbericht zum Teilvorhaben „Systematische Befragung relevanter Akteursgruppen“ des Verbundsprojektes „Illegaler Handel mit Kulturgut in Deutschland. Verfahren zur Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage zur Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter (ILLICID)“.